Was bedeutet „soziale Gerechtigkeit“?
Die sozialpopulistische Definition von gesellschaftlicher Ungleichheit ist denkbar einfach: Die Reichen werden immer reicher und die Armen deshalb immer ärmer.
Hier gilt oft mehr die gefühlte, als die tatsächliche Wahrheit. Denn die Fakten sprechen eine andere Sprache: Noch nie hatten wir in Deutschland so einen hohen Beschäftigungsstand. Seit langem waren Wirtschaftswachstum und Rentensteigerung nicht mehr so groß wie im vergangenen Jahr. Die Spreizung des Einkommens in Deutschland ist in den letzten Jahren messbar nicht weiter auseinander gegangen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei den Einkommensunterschieden im unteren Drittel.
Viele, die mehr „soziale Gerechtigkeit“ fordern, meinen oft nur den Ausbau der bestehenden staatlichen Umverteilung. Ihre Begründung: die vermeintlich akute Armutsgefährdung. Laut allgemeiner Definition ist arm, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient.
Was aber würde passieren, wenn sich morgen die oberen zehn Prozent auf der Einkommensskala – die in Deutschland über 54 Prozent der Einkommenssteuer zahlen – entschließen würden, das Land zu verlassen? Das Armutsrisiko würde statistisch sinken – aber ginge es den Menschenbesser, wenn der Staat plötzlich auf über die Hälfte seines Einkommenssteueraufkommens verzichten müsste? Wohl kaum.
Ein gewisses Maß an Unterschiedlichkeit innerhalb einer Gesellschaft ist notwendig, um Wettbewerb zu gewährleiten und Entwicklung zu ermöglichen. Seit jeher sind es vor allem materielle Anreize, die Menschen dazu anspornen, im Beruf Höchstleistungen zu erbringen. Wer viel leistet, will dafür auch belohnt werden. Leistungsbereitschaft des Einzelnen ist die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg – den eigenen, den eins Unternehmens und damit letztlich auch einer Volkswirtschaft.
Eine stabile Wirtschaftslage ist zugleich auch für diejenigen von großer Bedeutung, die selbst nicht unmittelbar finanziell davon profitieren können. Denn nur wenn es dem Staat gut geht, ist er auch in der Lage, sich angemessen um die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft zu kümmern.
Der Weg zu dauerhafter sozialer Sicherheit für alle Mitglieder der Gesellschaft kann nur über eine Stärkung des eigenverantwortlichen Handelns des Einzelnen führen. Was wäre gewonnen, wenn alle das Gleiche hätten, die Leistungsträger aber geschwächt würden und alle am Ende des Tages materiell – nicht prozentual – weniger in der Tasche hätten als vorher?
Worum es bei „sozialer Gerechtigkeit“ geht, ist also nicht gleicher Besitz, sondern vielmehr Chancengleichheit. Der Volksmund sagt: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Die Aufgabe des Staates ist es, dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen – durch gleiche Chancen auf Bildung, auf Integration, auf Teilhabe. Was der Einzelne daraus macht, bleibt jedem selbst überlassen.
Schon Ludwig Erhard schrieb in seinem Buch „Wohlstand für alle“, dass es zunächst auf die Verantwortung des Einzelnen ankomme. Jeder trägt zunächst selbst die Verantwortung für seinen eigenen Unterhalt und Wohlstand. Erst wenn das nicht gelingt, wenn man es trotz eigener Anstrengung nicht schafft, seine Chancen zu nutzen und für sich selbst zu sorgen, ist es Aufgabe der Solidargemeinschaft einzuspringen.